JUBILATE FORUM Lindlar
Entwicklung altersgerechter Quartiere in kleinstädtisch-ländlicher Perspektive
Gemeinde für alle
Ausgehend von einem sich ändernden Beteiligungs- und Bindungsverhalten ihrer Gemeindeglieder und dem Gebot eines effizienten und nachhaltigen Einsatzes ihrer finanziellen Ressourcen folgend, hat die Evangelische Kirchengemeinde Lindlar die Felder ihres Engagements und ihre Immobiliensituation in den letzten Jahren grundlegend neu bewertet und geordnet. Mehrere kleinteilig gegliederte Gebäude, die in Raumzuschnitten, Atmosphären und ökologischer Ausstattung den Geist der 50er-Jahre-Gemeindegründergeneration repräsentierten, wurden abgerissen oder verkauft. (Filialkirche in einem Peripheriedorf, Pfarrhäuser, Bürogebäude) Mit den daraus generierten Mitteln wurde 2010/2011 im Mittelpunkt der Kirchengemeinde neben der denkmalgeschützten Jubilate Kirche in unmittelbarer Ortskernnähe das JUBILATE FORUM LINDLAR errichtet.
Mit dem JUBILATE FORUM öffnet die Kirchengemeinde ihre Eingrenzung auf kerngemeindliche Kontaktnahmen und Aktivitäten und will sich entwickeln zu einem Netzwerkknoten, mit dem Menschen Kontaktangebote in Zeiten sozialer Verinselung gegeben werden, Teilhabe an Bildungs-, Kultur- und Beratungsangeboten ermöglicht wird und Diskussionsraum für religiöse und ethische Wert- und Sinnfragen zur Verfügung gestellt wird.
Das JUBILATE FORUM als Ort der Kommunikation und des Dialoges soll einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Wohnquartiers und des Ortes leisten, damit die sozialen, kulturellen und religiösen Bedürfnisse der Menschen selbstbestimmt und langfristig gelebt werden können. „Evangelisch in Lindlar“ lässt sich leiten von dieser Idee moderner Keywork und Empowermentarbeit. Personell getragen und verantwortet wird die Programmarbeit von einer Koordinatorin (Diplompädagogin).
Demografischer Wandel
Ausgehend von einer Demografieanalyse der Gemeinde Lindlar und der sich darin wiederspiegelnden wachsenden Bedeutung der Generation 55+ mit ihren besonderen Anspruchs- und Problemlagen wurde neben dem JUBILATE FORUM eine Wohnanlage errichtet. Dazu wurde ein Teil des Kirchengrundstückes an die Antoniter Siedlungsgesellschaft Köln (ASG) verkauft.
Die ASG in konzeptioneller Kooperation mit der Kirchengemeinde hat hier eine Wohnanlage errichtet: 30 barrierefreie Wohnungen in unterschiedlicher Größe (60 – 130 qm) und unterschiedlichen Eigentumsformen (Eigentumswohnung, vermietet, öffentlich gefördert, behindertengerecht) schaffen ein Angebot, in dem intergeneratives, nachbarschaftliches Wohnen vorstrukturiert und gefördert ist. Weiterhin ist eine Demenzwohngruppe (als GbR) und eine Tagespflege in privatrechtlicher Trägerschaft integriert. Damit sind Strukturen für alternsgerechtes, selbstbestimmtes Leben für ältere Menschen angelegt. Hinsichtlich Architektur, Lage und Ausstattungen der Wohnungen wurde konzeptionell Wert gelegt auf eine hohe Attraktivität, um den Wechsel älterer Menschen aus nicht mehr lebensaltersgerechten Einfamilienhäusern in kleine, aber zentral gelegene Wohnungen emotional zugänglicher zu machen.
Das gesamte Ensemble Wohnbebauung, Kirchengebäude und JUBILATE FORUM wird durch eine Aufzugsanlage erschlossen, die das Areal barrierefrei an den Ortskern anbindet. Dies ist unter den topografischen Bedingungen notwendig, um eine in sich geschlossene Wohninsel an die soziale Infrastruktur des Ortes anzubinden und damit Teilhabe und Inklusion zu ermöglichen. Die städtebauliche Prägnanz der Aufzugsanlage stattet das Ensemble aber auch mit einem hohen Symbolwert aus für die Gemeinwesenorientierung des Projektes und das Engagement der evangelischen Kirche zugunsten der Bürgergesellschaft.
Das Zusammenspiel von Wohnanlage und JUBILATE FORUM mit seinen Begegnungs- und Kulturangeboten folgt damit konzeptionell dem Modellprojekt „Wohnquartier4“ der Diakonie RWL e.V. mit den vier Faktoren Wohnen & Wohnumfeld (1), Gesundheit & Service und Pflege (2), Partizipation & Kommunikation sowie Bildung & Kunst und Kultur (4). Die evangelische Kirchgemeinde versteht ihr Engagement als Antwort auf die Frage: Was hält unsere Gesellschaft zusammen?
Aktive Quartiersentwicklung
Die Modellhaftigkeit des Projektes entfaltet Dynamik. Das Ensemble „Auf dem Korb“ kann als Miniquartier definiert werden, in dem alle Faktoren einer inklusiven Quartiersentwicklung angelegt sind. Durch die Einstellung eines Quartermanagers (Stadtplaner, Diplomgeograf) ist das Modell in den kleinstädtischen Ort kommuniziert worden und mittlerweile in die recht dörflichen Peripherielagen ausgeweitet worden.
In einem ersten Schritt wurde ein Mobilitätsservice, Lindlar mobil (Limo) als teilhabeorientierte Maßnahme aufgebaut. Limo fungiert als Bring- und Abholdienst für mobilitätseingeschränkte Menschen und bringt diese zu sozialen und kulturellen Angebote, aber auch zum Einkauf auf dem Wochenmarkt. Koordination und Fahrdienst erfolgen ehrenamtlich. Es haben sich dabei förderliche, vertrauensvolle Beziehungen zwischen diesen Ehrenamtlichen und den Nutzern eingestellt. Mittlerweile fährt Lindlar mobil mit einem Elektroauto als Klimaschutzbeitrag zur alternativlosen Individualmobilität auf dem Land.
In den einzelnen peripheren Kirchdörfern wurden Quartierskonferenzen durchgeführt, um mittels einer Stärken-Schwächen-Analyse Ansatzpunkte für eine aktive Dorfentwicklung zu erkunden. Daraus haben sich unterschiedliche Handlungskonzepte ergeben: z.B. Planung eines genossenschaftlichen Dorfladens, Entwicklung einer Smartphone-App zur Vernetzung von Fahrgemeinschaften und ÖPNV im Berufsverkehr, Initiative bezahlbarer Wohnraum (IbW), um in den Peripherielagen die Immobiliensubstanz älterer Menschen für gemeinschaftliches Wohnen umzunutzen und so gewachsene Nachbarschaften und Vermögenswerte zu stabilisieren.
Lokale und überregionale Netzwerke
Das Quartiersmanagement ist mit allen Anbietern sozialer Dienstleistungen in Lindlar hervorragend vernetzt. Die Entwicklung altengerechter Quartiere wird so zu einer Gemeinschaftsaufgabe gebündelt. Der Modellcharakter des Quartiersmanagements als vielschichtiges, integriertes Handlungskonzept strahlt über den Ort hinaus. Der Oberbergische Kreis hat die Ansätze aufgegriffen und unter dem Label „1000 Dörfer eine Zukunft“ zum Themenschwerpunkt für die Leaderförderung aus EU-Mitteln gemacht. Dabei fungiert das Konzept der Evangelischen Kirchengemeinde als Referenzrahmen und Transferplattform für Lern- und Beratungsangebote für andere Akteure im Feld der Quartiersentwicklung.
Als jüngster Schritt wurde eine Partnerschaft mit einem privatwirtschaftlichen Pflegeanbieter eingegangen, um gemeinsam Quartiersstandorte in Kombination von Tagespflege, Begegnungscafe, Mobilitätsservice und familienentlastenden ehrenamtlichen Unterstützungsangeboten investiv, wirtschaftlich und sozial zu verzahnen.